Am Stammsitz des Sportwagenbauers

Text: Eberhard Weilke
Bild: Hauke Fischer + Eberhard Weilke

 

Ich will mich nicht beklagen: In der Nähe von Stuttgart aufgewachsen, war mir die Welt der edlen Kraftfahrzeuge nicht fremd. Und da wir dann auch noch genau zwischen dem Porsche Werk in Zuffenhausen und dem Entwicklungszentrum in Weissach wohnten, musste ich mich nicht an den leicht skurrilen Zeichnungen der Auto, Motor + Sport orientieren, um zu wissen, welche Autos die Zukunft bringen würde, es reichte, die Augen offen zu halten. Im täglichen Straßenverkehr war allerlei unterwegs, häufig auch als Entwicklungsaufträge anderer Hersteller: Wild getarnte BMW E32 (man munkelte, Porsche hätte bei der Abstimmung des automatischen Getriebes die Hände im Spiel gehabt), Seat Ibiza Prototypen und selbstverständlich die verschiedenen Porsche Modelle. So sah ich die modellgepflegte, geglätte Schnauze und das charakteristische Heck des Porsche 928 S4 zum ersten Mal an einem plattgewalzten, quittengelben Prototypen, der auf einem Schrottlaster durch unseren Ort gefahren wurde. Damals war es bei Porsche usus, alle Versuchsträger nach Gebrauch durch einen aufgrund von Rüstungsaufträgen vorhandenen Leopard-Panzer zu zerstören. Erstens war so sicher gestellt, dass keine geheimen Dinge an die Öffentlichkeit kommen, zweitens gab es wohl eine Vereinbarung mit dem Finanzamt, dass Versuchsfahrzeuge im ersten Jahr steuerlich voll abgeschrieben werden können, sozusagen als Verbrauchsmaterial. Allerdings mussten sie dazu restlos zerstört werden, die sonst zur Abschreibung notwendigen sieben Jahre hätten die wenigsten eh nicht erreicht.

 

Auch sonst bot das Straßenbild einiges an Unterhaltung. Wenn man Glück hatte, wurde man beim Radeln auf der Landstraße vom Paris-Dakar Allrad-911er überholt oder man stand an der Tankstelle neben einem Porsche 956 Tourenwagen, der mit roten Nummern behängt am normalen Straßenverkehr teilnahm. Dass bei uns in der Straße ein Entwicklungsingenieur wohnte, der mit drei verschiedenen 959-Versuchsfahrzeugen nach Hause kam, machte im Gespräch mit Freunden im Ausland natürlich Eindruck.

 

Und so gehörte es natürlich zum regelmäßigen Ritual, in Zuffenhausen am Werk vorbei zu schauen (entweder 20 Minuten mit dem Rad oder zwei S-Bahn-Halte). Damals war der Weg entlang des Bahndamms noch für die Öffentlichkeit offen und bot einen prächtigen Blick ins Werkareal. Das Treiben dort war emsig: Ständig ging irgendwo ein Tor auf und ein 911 wurde auf den Abstellplatz gebracht oder es ging noch einmal zurück zum Tor der Nacharbeit, wenn auf der ausgiebigen Proberunde von den Werkseinfahrern ein Fehler gefunden wurde. Für uns Buben sah das nach einem Traumjob aus: Den ganzen Tag frisch vom Band gepurzelte Sportwagen auf Herz und Nieren prüfen. Dass dabei der Motor bis an den Begrenzer drehte und auch sonst Dinge ausprobiert wurden, die den normalen Fahrer an Missbrauch denken lassen würde (was aber natürlich nicht stimmte, die Autos wurden ja für die ambitionierte Nutzung gebaut) war lebendiger Teil des Mythos Porsche. Auch der gut einsehbare Abstellplatz konnte mit kleinen Sensationen aufwarten: Einmal standen dutzendeweise 911er Speedster für die USA aufgereiht, ein anderes Mal etwa die Hälfte der 959er Produktion.

 

Für uns war es natürlich selbstverständlich, regelmäßig das Werksmuseum im Werk II zu besuchen. Das 1976 eingerichtete Museum war ursprünglich nur über die Laderampe innerhalb des Werks zugängig, weshalb man sich an der Pforte melden musste, um dann einen Textilaufkleber mit eingestempeltem Datum vom Pförtner auf den Anorak geklebt zu bekommen. So dekoriert durfte man dann auf einem am Boden aufgemalten Pfad am Werkszaun entlang zum Museum laufen, wenn man viel Glück hatte, schoss wenige Meter von einem entfernt ein Wagen über die werkseigene Schlechtwegestrecke. Um Geräuschen schnell auf den Grund gehen zu können, gab es rund um das Werk kurze Schlechtwegeabschnitte, die zwischen dem üblichen Werksverkehr mit Gabelstaplern und anderen Flurförderfahrzeugen von den Ingenieuren sehr zügig genommen wurden.

 

Als Besucher war man da mittendrin, statt nur dabei, diese Erlebnisse kann keine noch so fantastische Multimedia-Präsentation in den neuen Museumsschlössern bieten.

 

 

Als absehbar war, dass mit der Eröffnung des neuen Porsche Museums die Tage des alten, kleinen Museums gezählt sein werden, begab ich mich mit einem Fotografenfreund noch einmal auf Spurensuche im kleinen Lagerraum. Zwar bot dieser nur Platz für etwa 20 Autos, diese wurden jedoch, getreu der Philosophie des "Rollenden Museums", regelmäßig ausgetauscht, so dass sich ein Besuch eigentlich immer gelohnt hatte. In einem Aspekt hatte das Museum jedoch schon seit einer Weile an Charme verloren: Da ein neuer, externer Eingang für das Museum geschaffen war, gab es nicht mehr die coolen Museumsbesucher-Aufkleber auf die Jacke und man läuft auch nicht mehr durchs Werksareal. Aber irgendwo sollte mein alter Anorak noch rumliegen...

Gesehen von Hauke Fischer:

Gesehen von Eberhard Weilke:

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